Im Vergleich zur Weinbaugeschichte der Alten Welt ist die Historie der Überseeweine noch recht jung – doch auch hier werden schon seit rund 500 Jahren Reben kultiviert. Ursprünglich ist der Begriff «Neue Welt» eine historische europäische Bezeichnung für den von Christoph Kolumbus im Jahr 1492 entdeckten, amerikanischen Kontinent. Damit wurde die sogenannte «Neue Welt» begrifflich der bis dahin bekannten Alten Welt mit Europa, Asien und Afrika gegenübergestellt. Heute wird der Begriff der Neuen Welt weiter gefasst –neben Nord- und Südamerika zählen im weinbaulichen Sinne auch Australien, Neuseeland und Südafrika dazu. Denn ausgehend von Amerika wurden seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts immer neue Gebiet für den Anbau von Weintrauben erschlossen. Dabei besaßen die Kolonisten meist eine religiöse Motivation, denn sie kultivierten die Früchte überwiegend, um Messwein zu erzeugen.
Seit wann gibt es Weinbau in der Neuen Welt?
Als die Einwandernden eintrafen, waren einheimische Reben zwar schon vorhanden, deren Früchte wurden aber nur zum Verzehr verwendet – Weinbereitung war zu dieser Zeit in der Neuen Welt noch unbekannt. Da die Kolonisten aus den wild wachsenden Reben, aufgrund eines für europäische Gaumen unangenehmen Erdbeeraromas (auch Foxton genannt), keinen für sie trinkbaren Wein keltern konnten, begannen sie europäische Sorten zu importieren und anzupflanzen. Das erste Gebiet, in dem die Kultur der eingeführten Reben erfolgreich gelang, lag im zentralen Mexiko, wo bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts die ersten Stöcke gesetzt worden waren. In der Folge wurden die Pflanzungen dann auch in anderen Ländern Südamerikas sowie in Nordamerika fortgesetzt. In Südafrika geht die erste Rebanlage auf das Jahr 1655 zurück, ab 1788 wurde Australien und ab 1819 auch Neuseeland für den Weinbau erschlossen.
Europäische Weinbaupioniere und einheimische Wegbereiter
Über viele Jahrhunderte haben zahlreiche Pionierleistungen dazu beigetragen, europäische Traubensorten und moderne Weinbautechniken in der Neuen Welt zu etablieren und damit die Grundlagen für die heute florierende Rebkultur gelegt: Wichtige Impulse gingen beispielsweise von dem französischen Chemiker Jean-Antoine Chaptal, dem schottischen Einwanderer James Busby oder Max Schubert (dem Schöpfer des legendären Penfolds Grange) aus. Im vergangenen Jahrhundert haben dann vermehrt einheimische Winzerinnen und Winzer für Innovation gesorgt und damit eine wichtige Rolle für die qualitative Entwicklung der Weine und deren internationale Wahrnehmung gespielt. Herausragende Persönlichkeiten wie Robert Mondavi (der als Protagonist der modernen Vitikultur in Kalifornien gilt), Nicolas Catena (der als Vorkämpfer für die Qualitätsentwicklung der Anden-Weine sowie seine visionären Ansätze in den Weinbergen berühmt wurde) oder Eduardo Chadwick (der den chilenischen Wein auf der Weltbühne etablierte) haben mit ihrem leidenschaftlichen Engagement entscheidende Schritte gemacht und dafür gesorgt, das Niveau und den Ruf von Weinen aus Übersee bedeutend zu steigern, sodass die Weine aus der Neuen Welt ab Anfang der 1960er-Jahre ein ungeahnte Qualitätsexplosion erlebten.
Die wichtigsten Rebsorten in der Neuen Welt
Wie in allen Weinbauländern rund um den Globus werden auch in der Neuen Welt die französischen Rebsorten immer bedeutender – allein seit dem Jahr 2000 haben die Neuanpflanzungen dieser Varietäten um weitere zehn Prozent zugenommen. Neben den klassischen Bordeaux-Sorten Cabernet Sauvignon und Merlot spielen auch die burgundischen Varietäten Chardonnay und Pinot Noir eine tragende Rolle ebenso wie Syrah, der rote Klassiker von der Rhone oder Sauvignon Blanc von der Loire. Daneben werden in kleinem Umfang auch landestypische Spezialitäten kultiviert – beispielsweise ist Torrontés die meistangebaute weiße Traubensorte Argentiniens, während die roten Pinotage in Südafrika oder Petite Sirah in den USA lokal ebenfalls einen gewissen Stellenwert genießen.
Unterschiede zwischen Übersee und Europa
Stichwort Rebsorten: Obwohl heute hinsichtlich der Rebsorten große Gemeinsamkeiten zwischen der Alten und der Neuen Welt bestehen, gibt es in Bezug auf die Weinbaupraktiken bzw. die Weinbereitung teilweise noch immer recht deutliche Unterschiede – auch wenn kontinuierlich ein Wissenstransfer zwischen den Kontinenten stattfindet. Indessen europäische Winzerinnen und Winzer oftmals lieber an bewährten Traditionen festhalten, sind die Weinbauern in der Neuen Welt grundsätzlich eher bereit, Neues zu wagen und moderne Technologien auszuprobieren: Bei der präzisen Bewirtschaftung der Weinberge wurden hier hinsichtlich Rebschnitt, Bewässerung und Düngung schon früh innovative Wege beschritten – mittlerweile wird sogar Robotertechnik in den Weingärten eingesetzt.
Stichwort Weinbereitung
Und auch bei der der Vinifikation zeigen sich die Neue-Welt-Produzenten häufig experimentierfreudiger als diejenigen aus Europa: Beispielsweise setzen viele Produzenten häufig auf die sogenannte Kaltgärung, bei der der Gärvorgang bei niedrigeren Temperaturen langsamer stattfindet, wodurch die intensiven Fruchtaromen im Wein stärker zum Ausdruck kommen. Ähnlich aufgeschlossen zeigen sich die Kellertechnikerinnen und ‑techniker in der Neuen Welt beim Einsatz von Enzymen und ausgewählten Hefen, um den Gärprozess präzise zu steuern und gezielt spezifische Aromaprofile zu erzeugen. In diesem Zusammenhang ist jedoch auch wichtig zu erwähnen, dass die meist weniger eng gefassten Weingesetze in der Neuen Welt den Produzenten mehr Spielraum beim Weinmachen lassen. Darunter fällt beispielsweise die Tatsache, dass die geographische Herkunft in der Neuen Welt nicht exakt dieselbe Bedeutung besitzt wie in Europa und Weine unterschiedlicher Regionen miteinander kombiniert werden dürfen.
Stichwort Geschmack
Zu den stilistischen Hauptunterschieden gehört, dass viele Weine aus den Ländern der südlichen Halbkugel fruchtbetonter ausgebaut werden, sich die Aromen bei Weißweinen reifer und sich die Gerbstoffe der Rotweine weicher zeigen, weil die durchschnittlichen Temperaturen wärmer sind als in Europa und die Trauben dadurch einen höheren Reifegrad entwickeln.
Die Ökobilanz der Neuen Welt – Nachhaltigkeit auf dem Vormarsch
In den letzten Jahren hat das Thema Ökologie im Weinbau weltweit stetig an Bedeutung gewonnen, und auch viele Produzenten in den Weinbauregionen der Neuen Welt engagieren sich vermehrt für umweltfreundliche Praktiken – mit vielfältigen Bemühungen dokumentieren die Winzerinnen und Winzer, dass sie sich ihrer ökologischen Verantwortung bewusst und gewillt sind, neue Wege zu beschreiten.
Stichwort natürliche Ressourcen
Da Wasserknappheit in einigen Weinbauregionen der Neuen Welt ein Problem ist, beinhalten nachhaltige Praktiken meist auch ein effizientes Wassermanagement, beispielsweise den Einsatz von Tropfbewässerungssystemen. Zudem setzen viele Weingüter auf erneuerbare Energien, um ihren Verbrauch zu reduzieren bzw. ihren Bedarf selbst zu generieren – Solarenergie, Windenergie und andere umweltfreundliche Energiequellen kommen mittlerweile deutlich häufiger zum Einsatz.
Stichwort Düngung und Schädlingsbekämpfung
Zu den Nachhaltigkeitsmaßnahmen gehören unter anderem der Einsatz von organischem Kompost und die Verwendung von natürlichen Schädlingsbekämpfungsmitteln. Dank des trocken-warmen Weinbauklimas und den mineralisch-reichen Böden herrschen dafür in vielen Gebieten der Neuen Welt optimale Bedingungen.
Stichwort Transportweg
Eine entscheidende Rolle bei der Ökobilanz spielt auch der Transportweg. Weil viele Weine aus der Neuen Welt in ferne Märkte exportiert werden, ist der Seetransport in vielen Fällen die bevorzugte Option. Und obwohl grundsätzlich gilt: Je kürzer der Transportweg, desto geringer die Emissionen, ist zu beachten, dass die Containerschiffe dank ihres großen Ladevolumens in der Summe häufig sogar umweltfreundlicher sind als der Transport per LKW aus entlegenen Gegenden quer durch Europa. Und weil nicht zuletzt auch die Art der Verpackung die Ökobilanz beeinflusst, setzen immer mehr Weingüter in der Neuen Welt auf leichtere Flaschen sowie umweltfreundliche Materialien.